CfP: “Räume Digitaler Zukünfte”
Halle(Saale) 17.-18. November 2022
Die Diskussionen um Digitalisierung operieren vielfach im Modus des Zukünftigen. Schlagwörter wie digitale Revolution, Disruption oder Transformation indizieren einen radikalen Bruch zu Vergangenheit und Gegenwart. Die performative Macht „des Digitalen“ auf die Gegenwart wird dabei vielfach gerade aus der Perspektive einer imaginierten Zukunft formuliert – in wahlweise utopischer oder dystopischer Form. Dies gilt auch und ganz besonders für geographische und raumbezogene Fragen. Mit Verweis auf vorgeblich unausweichliche Perspektiven wie der Nivellierung von Raumüberwindungskosten oder den sozialökologischen Versprechen einer algorithmisch verwalteten Stadt wird bereits heute in Raumproduktionen und Infrastrukturentwicklung interveniert. Auch die Risikokapital-getriebene Plattformisierung alltäglicher Praktiken in Bereichen wie Kommunikation, Freizeit und Arbeit unterhält ein spezifisches Verhältnis zu Erwartungen an die Zukunft.
Diesen Formen des futurings und der Erzählungen digitaler Zukünfte möchten wir uns im Rahmen einer Tagung widmen, in der wir aktuelle Diskussionen um digitale Geographien und raumbezogenen Forschung zu Digitalisierung zusammenbringen und Perspektiven zu anstehenden Forschungsaufgaben austauschen.
Dabei begrüßen wir sowohl Beiträge, die sich mit Zukunftserzählungen und Potenzialen der Digitalisierung in Städten beschäftigen, als auch konzeptionelle Auseinandersetzungen damit, wie Datafizierung das Denken und Entwerfen von Zukunft verändert. Dies umfasst unter anderem:
- Empirische Beobachtungen zu Entwicklungstendenzen des Wandels urbanen Alltags, städtischer Politiken & Infrastrukturen: Plattformisierung von Arbeit, veränderte Formen der Steuerung oder die Kommodifizierung digitaler Commons sind einige der Aspekte, die in der Forschung bislang untersucht wurden. Neben Gefahren einer zunehmenden Überwachung, technologischen Lock-In-Effekten und steigenden sozialen Ungleichheiten, wurde auch auf fehlende Belege für eine verminderte Ressourcennutzung durch den digitalen Wandel aufmerksam gemacht. Die Auswirkungen von Digitalisierungsprozessen prägen alltägliche Praktiken, städtische Politiken und die Restrukturierung von Infrastrukturen in vielerlei Hinsicht.
- Forschung zu Leitbildern digitaler Transformationen und möglichen Gegenerzählungen: Uns interessieren Funktionen von Zukunftserzählungen und ihre Auswirkungen auf gegenwärtig stattfindenden (soziotechnischen) Wandel. Vorstellungen einer intelligenten Energiezukunft verändern Logiken eines post-fossilen Wandels und digitale Mobilitätszukünfte stellen die Abschaffung des Automobils erneut in Frage. Wie aber materialisieren sich Zukunftserzählungen? Wie werden Leitbilder lokal und global produziert? Wessen Visionen sind es, wer wird ausgeschlossen? Und welche sozioökonomischen und sozioökologischen Implikationen sind mit digitalen Zukunftserzählungen verbunden?
- Forschung zu den Implikationen von Datafizierung für das Denken und Entwerfen von Zukunft: Sensoren, vernetzte Dienste und Infrastrukturen ermöglichen einen veränderten Zugriff auf soziale Probleme und Problematisierungen. Die Übersetzung in quantitative Metriken bringt hierbei widersprüchliche Effekte mit sich: so treten spezifische Probleme aufgrund ihrer Messbarkeit in den Vordergrund, während komplexe gesellschaftliche Verhältnisse im Hintergrund bleiben; das datengetriebene Imaginieren von Zukünften läuft Gefahr, die Offenheit des Zukünftigen einzuschränken. Welche Interventionen braucht es jenseits der eingeübten Kritik algorithmischer Vernunft um das Denken über digitale Zukünfte zu öffnen?
Auf der Tagung möchten wir zu programmatischen und forschungspraktischen Diskussionen im Bereich geographischer Digitalisierungsforschung anregen. Wir laden auch Beiträge aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen mit räumlichem Bezug ein. Abstracts können bis zum 8.5.2022 an Yannick Ecker (yannick.ecker@geo.uni-halle.de) gesendet werden.
Die Paper-Sessions sind eingebettet in ein zweitägiges Netzwerktreffen Digitale Geographien, welches offen für alle Interessierten ist.
Boris Michel, Leonie Büttner, Yannick Ecker